Dienstag, 9. April 2013
Thema: Leistung!
Leistung! Leistung! Leistung! Mehr! Schneller! Flexibler! Selbstvermarktung! Bessere Bildung für mehr Wettbewerbsfähigkeit!
Wir platzen jetzt schon teilweiße aus allen Nähten, wo soll das hinführen? In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?

Als Schlüssel für eine bessere Gesellschaft wird die Beteiligung aller an den Bildungs- und Ausbildungsprozessen betrachtet. Alle, unabhängig von Einkommen und sozialen Status sollen an Bildungsprozessen teilnehmen können. Grundsätzlich muss ich sagen, finde ich diese Idee nicht schlecht. Nur zwei Dinge gibt es zu bedenken:
1. Die Verbesserung der Voraussetzungen auf der einen Seite verbessern nicht unbedingt die Bedingungen auf der anderen Seite. (Bessere Laufschuhe auf einer miserablen Aschebahn bringen auch nicht wirklich was).
Heutzutage wird die Person für ihre Erfolge und ihr Scheitern selber verantwortliche gemacht. Es gibt kein nicht selbst zu bestimmendes Leben mehr. Es gibt keine Umwelt, die Einfluss darauf nimmt, wie gut wir in der Schule sind, wie schnell wir eine Ausbildung finden, wie sicher wir übernommen werden, wie viel Geld wir verdienen und ob das reicht um zu leben (und mit Leben meine ich nicht nur Essen und Wohnen). Die Existenz dieser Einflüsse wird zwar nicht geleugnet, wohl aber ihre Wirkung! Denn diese Prozesse sind voll und ganz von uns bestimmt!
Wer ist dieser Meinung? Wer glaubt dass es nicht vielschichtige Prozesse hinter diesen gibt, die in entscheidendem Maße auf den Erfolg oder Misserfolg einwirken??
Wenn wir alle besser ausgebildet sind und die Umwelt nicht auch mit verändert wird, dann läuft es doch nur darauf hinaus, dass wir alle mit besseren Voraussetzungen um noch weniger Bildungs- und Ausbildungsplätze konkurrieren.
2. Schulsysteme wie sie heute in Deutschland bestehen können eins am Besten: Selektieren. Und dass von Anfang an. Wir lernen also schon von der ersten Klasse an, dass wir in Konkurrenz zu unseren Mitschülern stehen und dass es wie in der Gesellschaft auch Unter-, Mittel- und Oberschicht gibt. Da die Schule für diese Schichten schon mal aussortiert müssen wir natürlich mit allen Mitteln versuchen ganz nach oben zu kommen. Und wie schafft man das? Durch gute Noten, durch Fremdbewertung, dadurch, dass man lernt wie man was am Besten nachzusagen hat. Was die Schulen daher noch ganz gut können, ist Unterordnung als bestes Mittel für Erfolg vermitteln. Die Schule macht uns also zu konkurrenzfähigen Individuen, passend für unsere Ellenbogengesellschaft.

Wenn also Bildung der Schüssel zum Erfolg sein soll, dann nur wenn der Bereich in dem das Mehr an Bildung Erfolg zeigen soll, auch dafür bereit gemacht wird und nur dann, wenn unsere Bildungssysteme umstrukturiert werden. Wobei sich hier die Frage wieder stellt, was ist Erfolg? Ist Erfolg was Geld bringt?



Ein empfehlenswerter Autor (Ch. Butterwegge) schlägt zudem vor, dass es „dringender denn je der Umverteilung von Arbeit, Einkommen und Vermögen bedarf.“ (Krise und Zukunft des Sozialstaates, S. 367). Dazu sind mir Folgende Gedanken gekommen.
Es gibt viele Menschen auf der einen Seite, die 40 und wesentlich mehr Stunden in der Woche arbeiten. Es gibt viele Menschen die gar keine Arbeit finden.
Es gibt Menschen die haben so viel Geld, das sie anfangen damit zu spielen und zu spekulieren. Auf der anderen Seite gibt es Menschen die versuchen mit den geringsten Mitteln sich und ihren Kindern ein würdiges Dasein zu ermöglichen. Es gibt Menschen, die haben zwei Jobs (oder mehr) und müssen nebenbei noch den Staat anbetteln und sich dafür entschuldigen, dass es ihnen die Gesellschaft nicht ermöglicht mehr Leisten zu dürfen. Es gibt Menschen die haben einen gut bezahlten Job und nebenbei sitzen sie noch in diversen Vorständen bzw. stehen auf deren Gehaltsliste. Es gibt Menschen deren Beziehungen zerbrechen, weil sie für den Arbeitsmarkt flexibel sein müssen. Und es gibt Menschen die setzen den Wochenendausflug mit der Familie von der Steuer ab, oder lassen ihn sich gleich von der Firma bezahlen.

Wer leistet mehr? Wer bestimmt was Leistung wert ist? Wer bestimmt was Wert ist?

Mir würden noch zig mehr Vergleiche einfallen um zu verdeutlichen, dass ich voll und ganz hinter einer vernünftigen und gerechten Umverteilung stehe. Warum sollten wir nicht alle maximal 30 Stunden die Woche arbeiten? Genug Arbeitskraftpotenzial für den Ausgleich haben wir doch (erst recht, wenn alle bessere Bildung bekommen). Warum werden die Menschen, die für den Gewinn eines Unternehmens verantwortlich sind, nämlich die Mitarbeiter, nicht automatisch an ihm beteiligt (find ich übrigens die größte Ungerechtigkeit)? Warum wird Arbeit immer schlechter bezahlt in einer Gesellschaft die immer reicher wird? Wie kann das sein? Warum wird uns erzählt, wir können uns dies und das (Rente, Gesundheit, Erziehung, Bildung) nicht mehr leisten, obwohl Deutschland immer Reicher wird? Warum soll sich der Mensch dem Markt unterwerfen? Wie soll Chancengleichheit ermöglicht werden, wenn die eine Seite sich immer mehr den Arsch aufreißen muss, um mit der geforderten Flexibilität des Wettbewerbswahnsinns der anderen Seite mithalten zu können? Warum streichen wir sinnvolle soziale Leistungen und schenken den Banken immer mehr und mehr und mehr? Nur damit sie spielen können, ohne Regeln! Kinder spielen im Dreck und mit giftigen KiK Spielsachen und Banken mit dreckigem Geld (das es nicht mal gibt und trotzdem muss es von Bürgern bezahlt werden).

Je mehr ich über diese Ungerechtigkeiten nachdenke, desto wütender macht es mich! Je genauer ich mir die gängigen politischen Überlegungen dazu anschaue desto mehr verzweifel ich...

Worauf es hier, wie überall ankommt ist, dass wir, du und ich, die Augen aufmachen. Dass wir hinter die schön klingenden Begriffsfassaden schauen, die uns präsentiert werden. Dass wir uns Zeit nehmen drüber nachzudenken, wo wir unsere Gesellschaft hinlaufen lassen wollen.


Es liegt an jedem Einzelnen von uns sich als Teil des Ganzen zu begreifen und das Ganze mit formen zu können. Die Richtung der Entwicklung entscheidet sich nicht nur an dem Tag an dem wir wählen gehen, sondern sie entscheidet sich dann, wenn wir anfangen zu überlegen was das, was wir wählen für uns und unsere Mitmenschen bedeutet. Die Richtung der Entwicklung hängt von dem Interesse derjenigen ab die die Macht haben sie einzuschlagen. Diese Macht haben nicht die da oben, diese Macht haben wir. Immerhin leben wir noch in einer Demokratie, wir müssen sie nur mitgestalten wollen.