Sonntag, 5. Mai 2013
„1000 ganz legale Steuertricks“ vs. 1000 Tricks für Sozialhilfebezieher

Was stößt dir mehr auf? Was glaubst du schadet unserer Gemeinschaft mehr?
Was vermittelt dir die Presse für ein Bild? Von wem hast du ein schlechteres Bild?

Im Folgenden werde ich mich auf das Buch „Sozialhilfemissbrauch“ von Reiner Roth aus dem Jahr 2004 beziehen. Roth bringt in seinem überschaubaren Büchlein auf 103 Seiten Tatsachen ans Licht, von denen so leider nie etwas in der Zeitung steht. Jeden, den das Thema interessiert, kann ich das Buch nur empfehlen. Hier nun einige aufschlussreiche, vielleicht überraschende Erkenntnisse. Zu Beginn werde ich einen kleinen Vergleich bringen und im Anschluss daran noch einige interessante Fakten.
Ein Vergleich
Anweisung in Bayern im Jahr 2001:

Wegen Personalknappheit sind nur 6% der
Steuererklärungen genauer zu prüfen. Nachzahlungen
unter 6000 DM sollen fallen gelassen werden
(also
nicht zurückgefordert werden) (S.89).
Im selben Jahr in Leipzig:

Es wurden 930 Haushalte von acht Ermittlern geprüft, dabei
wurden
angeblich 189.000 DM bzw. 200 DM pro
Haushalt eingespart
(S.101). (Das wären ca.31
Steuerrückzahlungen zu je 6000 DM gewesen)
Auf ca. 75 Mrd.
werden Einnahmeausfälle aufgrund von Steuerhinterziehung
geschätzt (S.87).
2002 wurde für Sozialhilfe 8,8 Mrd.
ausgegeben (S.85).
Schätzungen ergaben ca. 70 – 100
Mrd. € Steuerausfälle aufgrund von Schwarzarbeit

im Jahr 2003 (S.91/90).
Gedankenexperiment: Wenn alle
Sozialhilfebezieher 100 € monatlich nebenbei verdienen ohne
das anzugeben, beläuft sich der Schaden auf 1,7
Mrd. €
(S.36)
Einnahmeausfälle bei Hinterziehung
von Zinsabschlagsteuer
werden auf 7,5 Mrd. € geschätzt
(S.92). Und das soll nur ein Teil der tatsächlichen
Summe sein.
Tatsächlich wurden 1999 bei 2,3%
der Sozialhilfebezieher Arbeitseinkommen nicht angegeben
(S.19).  Von diesen 2,3% bezogen 70% Einkommen aus
geringfügiger Beschäftigung.

Dadurch entstand dem Staat ein Schaden von 68 Mio. DM
(= 0,5% der Gesamtausgaben).
Wer Steuern hinterzieht setzt meist
nur sein Streben nach Profit fort.
Wer Einkommen als
Sozialhilfeempfänger

nicht angibt, versucht sein Leben in Armut
besser zu meistern.
Steuersünder sind bedürftig →
Steuerentlastungen


Steuerexperte Gunnar Uldall erklärte 1996, dass
Steuerhinterziehung bedeutet, dass die Unternehmen
bedürftig sind und daher gezwungen sind Steuern zu
hinterziehen. Deshalb sollen Steuern weiter sinken (S.101)
Sozialhilfeschmarotzer sind nicht
bedürftig → Leistungskürzungen


Sozialhilfebezieher die „bescheißen“ wird unterstellt,
sie seien nicht Bedürftig, daher muss man ihnen die
Leistungen kürzen (S.101).
„Milliarden Leistungen ohne Gegenleistung,
heißt es bei Konzernen.“
(S.97)
„Keine Leistung ohne Gegenleistung
heißt es gegenüber arbeitsfähigen
SozialhilfebezieherInnen.“ (S.97)

  • Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass weniger Sozialhilfe auch zu mehr Schwarzar-beit führt. Die Höhe des monatlichen Betrages der, wenn das der Fall ist, von Sozialhilfebe-ziehern unangemeldet erwirtschaftet wird liegt im Durchschnitt bei 100 €.
  • Allein die Westdeutsche Landesbank verlor zwischen den Jahren 2002 und 2004 insge-samt 4 Mrd. € (S.95)
  • Verlust der Banken durch Kredite, die nicht beglichen wurden lag 2002 bei 32 Mrd. € (S.95). 40% davon hätten als Steuern an den Staat gehen müssen.
  • Die Steuerreform von 2001 führte zu einem Einnahmeverlust von 25 Mrd. €. Durch die Reform sollten Investitionen angeregt und Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Investitionen von Kapitalgesellschaften lagen im Jahr 2000 bei 71 Mrd. und 2002 bei 17 Mrd. € (S.97).
  • Nur ca. die Hälfte der Berechtigten stellte 2002 tatsächlich einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt (S.12).
  • Die vom Sozialamt vorenthaltenen Leistungen werden vorsichtig auf 300 Mio. € ge-schätzt.
  • Ergebnisse des Datenabgleiches ergab: „Verschwiegene Vermögen [sind] kaum festzus-tellen“ (S.29); „Dicke Autos und trotzdem Sozialhilfe“ – bedeutungslose Ergebnisse (S.31);
  • Jeder Arbeitnehmer sollte vorsichtig sein zu sagen, dass die bestehende Grundsicherung zu hoch ist. Die Höhe des Existenzminimums beeinflusst auch die Höhe der Grundsicherung im Alter. Von dieser Grundsicherung muss jeder Leben, der nicht 37 Jahre durchgehend einen durchschnittlichen Verdienst [ca. 1770€ Netto] hatte (S.86).
  • Bilanz: vorsichtig geschätzt 209 Mrd. € durch Betrug von Steuerschmarotzern vs.
    ca. 68 Mio. durch Betrug von Bedürftigen Sozialhilfebetrügern. Das ergibt ein Verhältnis von 3073 : 1

Da frag ich mich: Wie können wir bei so einer Schieflage überhaupt von sozialer Ge-rechtigkeit oder Chancengleichheit sprechen?