Mittwoch, 24. April 2013
„Wer Arbeiten kann, der soll es auch tun! Selbst wenn man für den Job überqualifiziert ist, soll man doch froh sein überhaupt einen Job zu haben!“

Einen Job. Für 6,50 € die Stunde. Keine Festanstellung. Kündigung jederzeit möglich. Unsicherheit. Teilzeit. Aufstocken mit Hartz 4. Unfreundliche Behandlung, vom Chef, und oft auch von den Kunden. Keine Anerkennung.

Von allen Arbeitnehmern waren 2008 25,2% in prekären Beschäftigungsverhältnissen, das ist ein Anstieg von 7% im Vergleich zu 1998 (Robert Castel (2000): Metamorphosen der Sozialen Frage). Da sind also die ganzen Arbeitslosen hin die durch Hartz IV in Arbeit gekommen sind: In schlecht bezahlten, unsicheren, minderwertigen Jobs.
Wie kann man verhindert, dass das so weiter geht?
  • Keine Lockerung des Kündigungsschutzes. Unternehmen dürfen sich nicht nach Lust und Laune auf dem Markt der Arbeitskraft bedienen, sie müssen Verantwortung für ihre Mitarbeiter zeigen.
  • Keine Senkung des Lohnes. Das sorgt doch nur dafür, dass noch weniger Menschen allein von ihrer Arbeitskraft leben können.
  • Schluss mit der Ausweitung von Zeitarbeit, die diese Form der Beschäftigung noch weiter fördern. Über die Arbeit in einer Zeitarbeitsfirma: https://www.youtube.com/watch?v=ZII0LvIVU1w (Leiharbeit Undercover).
  • Keine Senkung der Lohnnebenkosten (ohne entsprechende Anhebung des Bruttolohnes). Wie soll es sich ein Geringverdiener denn leisten diese Kosten selber zu tragen die der Arbeitnehmer nicht mehr tragen will?
  • „Die Zahl der insgesamt gearbeiteten Arbeitsstunden fiel von 52 Mrd. Stunden im Jahr 1970 auf 39,7 Mrd. Stunden im Jahr 2002.“ (Roth, 2004, S.33).
    Überlegungen zu einer sinnvollen Alternative zur Erwerbsarbeit sollten langsam ernsthaft beginnen. Bei der zunehmenden Technisierung unserer Gesellschaft ist es doch klar, dass nicht mehr genug Arbeit für alle da ist. Menschen, die nicht das Glück hatten und Kapital zur Verfügung haben, was für sie arbeitet, brauchen eine
    Perspektive.
Kein Mensch sitzt gerne unnütz, unzufrieden, ungebraucht, unterfordert, perspektivlos und abgewertet daheim!

Vielleicht ist das nachvollziehbarer, wenn man sich die Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit mal vor Augen hält. In jedem Menschen gibt es Bedürfnisse, welche durch zielführendes Verhalten und Handeln befriedigt werden wollen. Unbefriedigte Bedürfnisse können körperliche und kognitive Reaktionen nach sich ziehen. Langzeitarbeitslosigkeit kann zu Folgendem führen:
  • Nachlassen von Interesse
  • Frustration und aggressives Verhalten aufgrund fehlender Leistung und somit auch fehlende Anerkennung
  • Um die dadurch entstandene Unzufriedenheit für einige Zeit auszugleichen wird häufig zum Suchtmittel gegriffen
  • Psychosomatische Folgen (= körperliche Beschwerden aufgrund psychischer Belastung)
  • Allgemein schlechtes psychisches Befinden, depressive Verstimmung und/oder Ängste
  • Unzufriedenheit mit dem Leben
  • Existenzängste, Schuldgefühle, mangelndes Selbstwertgefühl
  • Vor allem Langzeiterwerbslosen und erwerbslosen Schulabgängern fällt es aufgrund mangelnden Selbstwertgefühl und Depressionssymptomen schwer wieder in die Arbeitswelt einzusteigen.
  • Soziale Ausgrenzung. Zum einen, weil die Kontakte mit anderen Menschen weniger werden und zum anderen, weil kein Geld da ist um am kulturellen Leben teilzunehmen.
  • Nachlassen von politischem Vertrauen und kein Gefühl der Mitsprache
Quellen:
Eisele, Sandra; Fischinger, Sylvie (2005): Ich arbeite, also bin ich! Ich arbeite nicht, also…? Analyse vom Bild der Erwerbsarbeit und Erwerbslosigkeit aus Sicht langzeitarbeitsloser Personen. Bern: Edition Soziothek
Zempel, Jeanette; Bacher, Johann; Moser, Klaus (Hrsg) (2001): Erwerbslosigkeit – Ursachen, Auswirkungen und Interventionen. Leske + Budrich, Opladen


Sucht man sich so ein Leben freiwillig aus?


Ich frag mich oft, was es braucht, um ein Gleichgewicht in unserer Gesellschaft herzustellen. Was muss passieren, damit der Unternehmer sich seinen Gewinn mit seinen Angestellten teilt? Ich bin kein Vertreter von noch mehr Regeln, Gesetzen und Pflichten um Leute dazu zu zwingen sich fair zu verhalten. Eigentlich sollte man doch meinen in einer zivilisierten, reichen Gesellschaft ist es möglich, dass keiner betteln gehen muss. Und ich sehe auch den Antrag auf Kostenübernahme für eine neue Waschmaschine oder die Klassenfahrt als Betteln an. „Jammern auf hohem Niveau“, sagen viele immer. Das kann gut sein. Wenn man Dritte Welt Länder mit unserem vergleicht, ist das vielleicht Jammern auf hohem Niveau. Wenn man aber einen sinnvollen Vergleich anstellt, muss man doch sehen, dass es was anderes ist in einer armen Gesellschaft arm zu sein, oder in einer reichen. Oder etwa nicht!?

Was bedeutet es für ein Kind, das nicht bei der Klassenfahrt dabei sein kann? Was bedeutet es für einen Hauptschüler, wenn er ständig vermittelt bekommt: „Du, mit deinem Abschluss wirst du keine Ausbildung finden.“ Und warum nicht? Weil er vom Lehrer aufgegeben wurde und sich somit auch selber aufgibt. Es gibt so viele Ungerechtigkeiten. Und es wird gleichzeitig dafür gesorgt, dass es noch mehr werden. Denn nur wenn man neidisch nach oben, oder abwertend nach unten schauen kann, entwickelt sich der allseits gelobte Wettbewerbscharakter. Und das ist es doch, worauf es ankommt, Leistung und Konkurrenz.
Ich fragt mich wer sich das ausgedacht hat! Und ich frag mich auch, wann wir endlich begreifen, dass das keine Naturgesetzte sind und dass es auch anderes gehen kann!